Premieren-Glücksfall

Die Premiere von KURZSTRECKE GÖRLITZ-ZITTAU bot mehr als den Glücksfall,
die alte und neue Tanzcompany am Gerhart-Hauptmann-Theater Görlitzer-Zittau zu erleben.

Oberlausitz Leben
29.06.2014
Ramona Faltin
Der Abend begann mit einem Videoclip. Theaterkollegen der Tänzer - Schauspieler und Dramaturgen hatten mehrere Kurzfilme gedreht, die von Zusammenarbeit, Distanz und Außergewöhnlichem zwischen Görlitz und Zittau erzählten. So wurde jedes Tanzstück von einem Video eingeführt: ein zwar durchschaubares, dennoch funktionierendes dramaturgisches Manöver, dem Auge Abwechslung in der zweistündigen Aufführung zu bieten. Doch die eigentliche Qualität von „Kurzstrecke Görlitz-Zittau“ liegt in der Vielfalt der tänzerischen Ideen, in der genreübergreifenden, choreographischen Variante, die hin zur Konzeptkunst strebt. Spannende ästhetische und terminologische Charakterisierungen sind zu erleben: Schon lange leisten Tänzer mehr als Tanz: Sie singen, dichten, sprechen, spielen und choreographieren die Stücke selbst – so auch in den Tanzstücken „Kurzstrecke Görlitz-Zittau“. Bewegungsprinzipen zwischen Fallen und Aufrichten, zwischen Miteinander, Füreinander und Gegeneinander zwischen Spannung und Entspannung sorgen für aufmerksame Begeisterung. Energiegeladen, fließend, berührend, fragmentiert – die Tanzstücke haben viele Facetten. Faszinierend fundierte Körpertechnik bildet die Basis für wunderbare Dialoge zwischen emotional-tänzerischen Qualitäten und der Musik.

Bezaubernd und mitreißend verbinden sich die Bewegungen von Leila Bakhtali mit Balkan Beat und visuell verschwimmenden Ornamenten im Stück „Es war niemals“. Tausend erzählte Märchen sind in meinem Herzen - überzeugt sie tanzend das Publikum.

Ein anderes Stück, eine Videosequenz bietet dem Zuschauer einen Blick aus einem Loch im Asphalt: in den Himmel, in einen Regenbogen: was für ein einfacher und schöner Perspektivwechsel! Niko von Harlekin erspürt und choreographiert das „erfolgreichste englische Wort“ HALLO in dem Tanzstück Tsundoku1123 in buchstabierenden Bewegungen und Haltungen. Marko E. Weigert nimmt sich in seinem Videoclip UND ER RENNT, der Frage an, die wir uns wohl schon alle gestellt haben: Kann ich wohl schneller als die Straßenbahn sein? Zumindest auf Kurzstrecken?

BOX – heißt der atemberaubend-schöne Tanz mit riesigen Kartons, den Lital Ben-Horin und Mami Kawabata zu schwedischem Folkrock von Garmana vollführen.

Sechzehn Tänzer stehen im letzten Stück BLOCKIERT auf der Bühne, Tänzer der alten und neuen Tanzcompany – nicht nur deswegen war die Premiere ein Glücksfall. In Kurzstücken beeindruckte die Oberlausitzer Tanzcompany mit hohem künstlerischem Anspruch und einem Universum an tänzerischen Sequenzen und Empfindungen. Unbeschreiblich. „Kurzstrecken Görlitz – Zittau“ muss man sehen.