Der Name der Rose wird in Görlitz getanzt

gefläshed - Magazin für Musik und Kultur
20.05.2016
Oliver Hafke Ahmad
Mit viel Applaus hat am Pfingstsamstag das Tanztheaterstück nach Motiven aus dem 1980 erschienenen Roman von Umberto Eco „Der Name der Rose“ in Görlitz Premiere gefeiert. Die Choreografen Dan Pelleg und Marko E. Weigert lassen ihr elfköpfiges internationales gemischtgeschlechtliches Ensemble in düsteren Mönchskutten die im 14. Jahrhundert in einem Benediktinerkloster spielende Kriminalgeschichte um richtigen und falschen Glauben und von der tödlichen Gefahr erzählen, die von Büchern, von Erkenntnis und vom Macht entlarvenden Humor ausgeht.

Urplötzlich fällt eine schwere Schwarte aus dem Bühnenhimmel, knallt hart auf den Bühnenboden auf und reißt die Zuschauer gleich am Anfang aus der meditativen Klosterstimmung des ersten Bildes. Ist es die Bibel? Ist es Aristoteles verschollener Teil der "Poetik", der von der Komödie handelt? Oder ist es die Erkenntnis schlechthin, die hier zum Faszinosum und damit zur Gefahr wird? Es ist eine schlichte schwarze Bühne (von Britta Bremer), das Licht kommt von der Seite oder von oben und erinnert an die Säulengänge eines Klosters oder das von Säulen umsäumte Hauptschiff einer Kirche.

Die Gefahr lodert buchstäblich flammend aus den Buchseiten und es dauert nicht lang, bis der erste Mönch tot am Boden liegt, weitere, die sich um das Buch zu reißen scheinen, werden folgen. Mit den Toten fallen auch die Hüllen, dürftig verhüllt in weißer Unterwäsche erscheinen Engel oder sind es die nackten Seelen der Mönche? Die noch Lebenden umtanzen einander in homoerotischer Leidenschaft. Wobei die Tanzpartner häufig Männer und Frauen sind, die aber beide (männliche) Mönche darstellen, ein Fest für an Genderfragen interessierte.

Umgesetzt mit den Mitteln des zeitgenössischen Tanzes, mit Rennen, Laufen, Klettern, Fallen, Ausdruckstanz, Modern Dance und Ballettfiguren ist „Der Name der Rose“ keine getanzte Nacherzählung des Mittelalter-Bestsellers von Umberto Eco auch wenn Choräle und Alte Musik, Schalmeien und Trommeln erklingen. Es geht um die Bilder von Inquisition, den Kampf des Einzelnen mit sich selbst und der Sehnsucht nach einem heimlich geliebten Menschen. Der Inquisitor wird hier von Narren gequält, Humor bekämpft die blutige Rechthaberei der Mächtigen.

Es geht also um die Einhaltung von sich selbst und von außen auferlegter Regeln und der Frage nach Konformität oder Nonkonformität in einer geschlossenen Gruppe. Ist die Rose also weiß und rein wie die vielen guten Absichten einer reinen Seele oder ist sie rot und getränkt vom Blut ausgelebter Leidenschaften und des Kampfes um persönliche und gesellschaftliche Freiheit? Die Antwort kommt nach rund siebzig kurzweiligen und ausdrucksstark getanzten Minuten und hat das Premierenpublikum in Görlitz verzückt.